Deutsch-Polnische Grenze: Polen will Grenzen vorübergehend kontrollieren
Die konservative PiS treibt mit ihrer Deutschen- und Migrantenhetze die liberale Tusk-Koalition vor sich her. Premier Tusk gerät unter Druck.
In Umfragen verlieren er und seine Mitte-links-Koalition Woche um Woche mehr Stimmen. Jetzt hat er die Notbremse gezogen und angekündigt, ab Montag, dem 7. Juli, Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze einzuführen.
Schon an diesem Mittwoch will er selbst die Grenze zu den Deutschen inspizieren. Ob ihm das helfen wird, ist fraglich. Denn das ist eine Forderung der nationalpopulistischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die Tusk da erfüllt. Seit einigen Tagen schon gehen dort polnische Rechtsradikale auf „Grenzpatrouille“, um „Illegale“ daran zu hindern, aus Deutschland nach Polen einzureisen.
Verwackelte Handyvideos von den „Helden der Nacht“ – in gelber Neonschutzweste mit dem Aufdruck „Bewegung Grenzverteidigung“, einem grimmig blickenden Adler mit Königskrone, einem Grenzpfosten und einem weiß-rot gestreiften Speer mit Säbelspitze – gehen zu Tausenden im Internet viral.
Tusk-Regierung räumt nicht mit Falschinformationen auf
Im Radio und Fernsehen kommen keifende Abgeordnete und „Bürger der Grenzregion“ zu Wort, die von angeblich 8.000 „Illegalen“ wissen, die die Deutschen angeblich Nacht für Nacht mit Bussen über die Grenze nach Polen bringen. Alle sind empört über die „dreisten Deutschen“, die die Polen angeblich immer noch so behandeln wie im Zweiten Weltkrieg.
Die Tusk-Regierung hat dieser Propagandatrommel und den Dauerlügen fast nichts entgegenzusetzen. Auch die Deutschen sind keinerlei Hilfe, im Gegenteil: ohne die scharfe Migrationspolitik und die Zurückweisungen von Asylbewerbern an der Grenze von Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hätte es den aktuellen deutsch-polnischen Grenzkonflikt wohl gar nicht gegeben.
Anders als Tusk, dem die rechte Opposition immer wieder zuruft „Rücktritt, Rücktritt!“, strotzt Polens neu gewählter Präsident Karol Nawrocki nur so vor Tatendrang. Obwohl er „zum Wohle Polens“ mit allen zusammenarbeiten will, wirft der 42-Jährige dem polnischen Premier Tusk den Fehdehandschuh hin: „Herr Premier“, ruft er vom Rednerpult in der Kleinstadt Pultusk aus, „als zukünftiger Präsident werde ich es nicht zulassen, dass Polen die Demokratie und die Freiheit der Wahl eines Präsidenten genommen wird!“
Damit spielt er auf die inzwischen über 50.000 Wahlproteste gegen die Stimmenauszählung der Präsidentschaftswahl an. Auch Tusk schloss sich der Forderung nach einer erneuten Auszählung nach einiger Zeit an. Nawrocki hingegen greift Premierminister Tusk im PiS-nahen Sender Republika direkt an: „Und wir, Herr Premierminister, müssen uns aneinander gewöhnen, also ist es an der Zeit, die Hysterie aufzugeben und die polnische Demokratie nicht zu zerstören, sondern so weit wie möglich mit dem zukünftigen Präsidenten zusammenzuarbeiten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
USA errichten Abschiebegefängnis
Wer flieht, wird gefressen
Boykotte gegen Israel
Gut gemeint, aber falsch
Hitze und Vorsorge
Der Ventilator allein schafft es nicht
Anwerbung von Fachkräften in Brasilien
Gepflegte Aussichten
Verhältnis der Deutschen zu Israel
Streit bei „Zeit“ über Löschung der Maxim-Biller-Kolumne
Friedrich Merz' Queerfeindlichkeit
„Zirkuszelt“-Aussage erntet Kritik